Claudia Herstatt zur Serie "Mix"

Aha denkt man: hier ein Plattenbau, da das erträumte Ferienparadies. Beides extrem kühl und menschenleer abgelichtet. Wozu noch einen zweiten Blick verschwenden. Aber noch bevor man einen Fuß vor den anderen gesetzt hat, ist die Information im Kopf angekommen. Auf den Bildern von Ralf Peters ist das was man sieht nicht das, was es zu sein scheint.

Denn Ralf Peters geht es nicht um Fassadentristesse oder geschwungene Poolarchitektur, aber im erweiterten Kontext der Lebensumstände, Träume und Alpträume des modernen Menschen werden sie interessant. Dabei übernimmt er die Rolle des nachdenklichen Beobachters. Seine Fotomotive bearbeitet und verfremdet Peters im Atelier virtuos am Computer, baut ihnen Sehfallen und Brüche ein, die die verschiedensten gesellschaftlichen Phänome untersuchen. Über die digitale Behandlung geraten anonyme Wohnmaschinen und Büroblocks oder auch historische Gebäude über Spiegelungen, Doppelungen, gekippt und aus der Perspektive geschoben zu noch weitaus fragwürdigeren fremdartigen Gebilden oder verschmelzen scheinbare Ferientraumfabriken fünf verschiedener Inseln wie Mallorca und Ibiza zum absurden menschenleeren Ideal-Holiday-Mix.

In der Ausstellung "Ein Treppenhaus für die Kunst" im niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur hat sich Peters zunächst auf die Fassade des Gebäudes selbst eingelassen. Er hat sie fotografiert und während der digitalen Bearbeitung frontal gedreht, wiederum gespiegelt und noch drei Stockwerke angesetzt. So ist aus dem siebenstöckigen Turm ein durch Fenster stark gegliederter Flachbau geworden, die "Box 6". Bau kann man dazu eigentlich nicht mehr sagen, denn über die Manipulation hat sich das räumliche Gebäude mit seinen Funktionen hinter der reinen Oberfläche verschanzt. Die Menschen die darin arbeiten, scheinen wie verschluckt.

Die verglaste Fassade vor dem sich oval und offen nach oben schwingenden Treppenhaus findet darauf seine malerisch anmutende und versöhnliche Antwort in einem großformatigen Satz von acht quadratischen Aufnahmen, an denen gar nichts gefälscht ist. Es sind Blicke durch Bürofenster auf Menschen am Arbeitsplatz Computer. Auch wenn es andere Büros als die des Ministeriums sind, könnten es durchaus seine Mitarbeiter sein, deren Büroalltag hier beobachtet wird - schließlich sitzen überall Menschen bei der Arbeit vor ihren PCs. So hermetisch die Box jeden Einblick abblockt, so verschafft sich die Aussenwelt auf diesen Bildern über die Spiegelung in den Fenstern Einlaß: ein geschwungenes Balkongitter, ein Stück Himmel, eine Straße, ein anderes Gebäude. Innen und aussen durchdringen sich und bilden aus verschiedenen Winkeln aufgenommen in der Abfolge der Hängung eine Art fliessende Wellenbewegung.

Ob sich Ralf Peters mit Architektur oder Landschaft auseinandersetzt, Modellsituationen für eine ideale Ausstellung herstellt - immer scheint ihm bewußt zu sein, wie fragwürdig und widersprüchlich Existenz, Tun und Handeln und nicht zuletzt die Hüllen der Repräsentanz und Habitusse tradierter und verlorengegangener oder möglicherweise zum Scheitern verurteilte Werte in Zukunft sind. Das Unwohlsein um dies Wissen setzt er bildnerisch und skulptural um, indem er es auf seine Weise sichtbar macht und die komplexe Fragestellung in Hinblick auf Gemeinschaft und Individuum in Spiegel-Bilder übersetzt. Genau Hinschauen muß man aber schon, um das gekonnt-subtile und auch allem zum Trotz humorvolle Spiel zu durchschauen.

Claudia Herstatt